Peter Steinfadt von der „Jazzthetik“ hat sich mit dem Line Magnetic 211IA auseinandergesetzt. Erfrischend, dass er nicht einfach Mess- und technische Daten herunterbetet, sondern sich schwerpunktmäßig auf das Wesentliche konzentriert – auf´s Musik hören. Deshalb bieten wir hier mal den kompletten Test zum Nachlesen an:
„Früher war alles besser? Könnte man ja meinen. Egal ob Mode oder Musik, überall wird mit dem Label Vintage oder Retro geworben – der Megatrend der vergangenen Jahre.
Der gute Geschmack vergangener Zeiten macht auch vor der HiFi-Branche nicht halt, und manchmal gibt es auch rationale Gründe, tradierte und bewährte Technik einzusetzen.
Von Peter Steinfadt
Line Magnetic Audio wurde 2005 von den Brüdern Zheng gegründet. Die Chinesen fertigen innovative High-End-Produkte im Retro-Look. Das in Foshan und Zhuhai beheimatete Unternehmen lässt sich von legendären Marken wie Western Electric, Altec und Jensen inspirieren. Röhren werden mit moderner Technik kombiniert, und ein schönes Beispiel für diesen Ansatz ist das
hier vorgestellte Vollverstärkermodell 211IA. Die Schaltung des hübschen Verstärkers, erhältlich in Silber oder Schwarz, verlässt sich auf die sogenannte Freiverdrahtung. Elektronische Bauteile sind Punkt-zu-Punkt mit einzelnen isolierten Litzen und Drähten miteinander verbunden. Erst Mitte der 1940er Jahre wurde die gedruckte Leiterplatine eingeführt und hielt danach auch in
die Audiowelt Einzug. Eine Freiverdrahtung soll klangliche Vorteile bieten und ist nachhaltig, denn Verstärker mit einem solchen Konzept sind reparierbar und müssen bei defekten Bauteilen nicht zwangsläufig entsorgt werden. Eine gute, langlebige Investition also. Ein Schmankerl des 211IA ist die Möglichkeit, vom ultralinearen Spielbetrieb in den Triodenmodus umzuschalten. Hier reduziert sich die Leistung zwar von 2 x 32 Watt auf schlanke 2 x 15 Watt, aber die Veränderung des Klangbilds ist beachtlich. Im Triodenmodus wird alles etwas feiner und hochauflösender, allerdings wird die Reproduktion des Basses auch deutlich weniger konturiert und insgesamt schlanker. Die vier EL34-Röhren spielen bei höherer Leistung „saftiger“ auf, und mir persönlich gefällt dieses vermeintlich typisch „röhrige“ Klangbild dann doch etwas besser – Geschmacksache. Sehr praktisch ist die Möglichkeit, den Ruhestrom der Röhren über ein Miniatur-Wendelpoti manuell feinzujustieren. Eingesetzt werden können Lautsprecher mit vier oder acht Ohm Impedanz; hierfür gibt es separate Impedanzabgriffe auf der Rückseite des Geräts. Bei Line Magnetic wurde nicht an der falschen (weil klangrelevanten) Stelle der Rotstift angesetzt, sondern auf sehr gute Premiumbauteile gesetzt. Der mit nur 38 mal 35 Zentimetern recht klein geratene
Verstärker verströmt auf den ersten Blick einen wunderbaren Vintage-Charme.
Aber wie klingen denn nun die doch recht rückenunfreundlichen 20 Kilo Stahl, Glas und Eisen? Schalten wir ein und bedienen wir mal die massive Metallfernbedienung des Verstärkers mit beeindruckendem Frequenzgang von 10 – 50.000 Hz (-1.5 dB). Entre Eux Deux (Decca, 2021), die jüngste Scheibe der US-Amerikanerin Melody Gardot und des Pianisten Philippe Powell, ist
eine wahre Genussproduktion. Bis auf einen Titel aus der Feder der französischen Filmmusik-Größe Francis Lai und einem aus dem Repertoire von Philippe Powells berühmtem Vater Baden Powell stammen alle Titel von Melody Gardot bzw. dem Duo Gardot / Powell. Das Album ist von innerer Ruhe geprägt und zieht durch seine musikalische Konzentration auf das Wesentliche den Zuhörer in seinen Bann. Melody flüstert ganz zart und direkt ins Ohr, superb produziert und gerade auf Vinyl ein Hochgenuss. Unser Verstärker stellt die Musik mit guter Detailauflösung,
schöner Räumlichkeit und einer Portion Schmelz sehr überzeugend in den Hörraum und wird von Minute zu Minute besser, denn Röhrengeräte wollen auf optimale Betriebstemperatur gebracht werden. Diese sich unbedingt lohnende Wartezeit kann schon mal 20 Minuten dauern. Erst dann entfaltet sich die ganze Magie dieser (und natürlich auch anderer) Musik. Verlassen wir die bittersüße Melancholie und widmen uns einem epochalen Album der japanischen Experimentalband Boris. Das Album Flood aus dem Jahr 2000 (Third Man Records) beinhaltet auf vier LP-Seiten den 70-minütigen gleichnamigen Song. Die Stoner-Rockband, auch bekannt geworden durch ihre Zusammenarbeit mit Masami Akita aka Merzbow, knüpft über minimalistische
an- und abschwellende Gitarren- und Noisekaskaden einen psychedelischen Klangteppich. Einfache Hintergrundgeräusche gehen in einen melodischen Gitarrenteil über, der recht psychedelisch daherkommt. Musik, deren Fragmente sich ähnlich Gesteinsschichten übereinanderlagern und in deren Verlauf die Komplexität des Geschehens sich stetig erhöht.
Der Line Magnetic verliert hier nie die Übersicht und vermag feine und feinste Verästelungen der Musik (meist sägende Gitarrenwände) mit einem erdigen Grundfundament darzustellen. Sehr stimmig. Wer also ein langlebiges Produkt sucht, einen Verstärker, der gut und ehrlich musiziert sowie auch über die kommenden Jahre stets instandsetzbar bleibt, und auf glimmende
Röhren steht, sollte den LM 211IA in Betracht ziehen. Er ist mit aufgerufenen 1.499 Euro definitiv seinen Preis wert und verspricht jahrelangen Hörgenuss.“
Alle Infos zum Line Magnetic LM-211IA gibt´s hier: https://www.linemagnetic-deutschland.de/produkte/vollverstaerker/lm-211ia
Und hier findet Ihr das Schmuckstück im Shop: https://www.audiolust.de/elektronik/verstaerker/line-magnetic/6480/line-magnetic-lm-211-ia-black