Auch die LowBeats hat sich intensiv mit der Retro-Traum-Kombi Quad 33 und 303 beschäftigt. Das Ergebnis könnt Ihr hier nachlesen. Wer alle Fotos rund um den Test sehen möchte, dem sei der Link (ganz unten) zum Original empfohlen.
„In meiner Jugend gab es tolle HiFi-Komponenten, für die ich mir beim Händler in der Innenstadt die Nasen an den Schaufenstern plattdrückte. Das Duo Quad 33 und 303 gehörte nicht dazu. Das ist keine vorauseilende Missachtung, sondern ein ganz lebensnaher Grund: Zur Zeit der Entwicklung war ich noch nicht geboren. Der Vorverstärker (33) und die passende Endstufe (303) erschienen 1967. Die beiden sind als Ikonen im High-End der Nach-Röhrenzeit eingeschlagen – in der Geschichte der Company und nicht zuletzt auf den Bankkonten von Quad. Geld und Ruhm sprudelten. Faktisch über Nacht spielten die Briten ganz oben und bei den Top-Verdienern der Branche mit.
Quad selbst entstand in grauer HiFi-Vorzeit. Gegründet 1936 in London, zogen schnell danach dunkle Wolken der Weltgeschichte auf. Mit direkten Folgen für den Firmenchef Peter J. Walker. Die Firmenzentrale an der Themse wurde 1941 vollständig zerbombt, das Unternehmen floh nach Huntingdon. Wenn es einen Nabel in der britischen HiFi-Welt gibt, dann in dem Städtchen der Grafschaft Cambridgeshir. Meridian ist da, Cyrus, Avid – und auch die International Audio Group (IAG) mit Audiolab, Leak, Mission, Wharfedale und eben Quad.
Quad 33 und 303: Historie und Gegenwart
Was für den Hinterkopf, falls eine Quizshow ansteht: Alle nutzen die vier Buchstaben wie einen Eigennamen – tatsächlich ist Quad das Kürzel für „Quality Unit Amplifier Domestic“. Bis zum Eintreffen von Nummer 33 and 303 verstand sich Quad als Röhrenspezialist. Das Duo brachte den Schwenk zu den Transistoren. Der Firmengründer Peter J. Walker hat faktisch alle wichtigen technischen Erneuerungen der Audio-Branche erlebt. Bis weit in die 1980er Jahre bestimmte er den Kurs von Quad, heute ist es Peter Comeau, der Chefentwickler von IAG. Der pendelt zwischen Huntingdon und Asien. Dort liegen die Fertigungsstraßen der Zwillingsbrüder Bernard und Michael Chang. Zwei Dinge treiben die Brüder an: Geld und britische HiFi-Marken. Die „International Audio Group“ scheint sie alle zu besitzen: Audiolab, Wharfedale, Quad, Mission, Castle – und die japanische Kultmarke Luxman noch hinzu. Die Gerüchteküche brodelt, dass sich bald noch größere Namen unter dem Dach versammeln werden …
Doch hier geht es nie um Quantität. Die Chang-Brüder sind sich ihrer Schätze bewusst – mit allen kulturellen Aspekten. Man gönnt sich nach wie vor Ingenieurbüros in England, vor allem gönnt man sich Peter Comeau als audiophilen Mastermind. Der kann noch immer auf die Haudegen aus alten Quad-Zeiten bauen. Als da wären Rob Flain und Paul McConville – die beiden bringen es auf die weltweit längste und tiefste Erfahrung als Quad-Servicetechniker. In diesem Kontext vereint die Entwicklung der modernen Klassiker rund 200 Jahre Ingenieurserfahrung und über 100 Jahre Quad-Design und -Service.
Die Technik
Ein Eins-zu-eins-Nachbau macht keinen Sinn. Zum einen gibt es viele Bauteile nicht mehr, vor allem haben sich die Ansprüche der Nutzer geändert. Das hat vor einigen Monaten auch Musical Fidelity vorbildlich erkannt bei der Neuauflage des A1-Verstärkers – äußerlich eine Reminiszenz, in der Schaltung ähnlich konsequent, aber in vielen Details neu gedacht. Der Quad 33 verfügt in seiner Neuauflage über mehrere Ein- wie -Ausgänge, darunter Cinch und symmetrische XLR.
Auch eine Phonostufe ist an Bord. Mit einer Überraschung: Moving Magnet können alle, das gehört mittlerweile zum Standard aktueller Verstärker, doch der 33er verstärkt auch eingehende Moving-Coil-Impulse. Der minimalistische Charme beider Komponenten wurde ebenso in die Neuzeit transferiert. Das Display des Quad 33 schimmert in Orange, natürlich auch die Erkennungsfarbe der Drucktasten – hier aber in einem Ästhetikmix aus Taschenrechner-Ziffern vor Leuchttafel. Alles abschaltbar, für die Dunkelhörer.
Die Stereo-Endstufe 303 braucht keinen Lichtschimmer. Ein On/Off-Schalter genügt – an der Front eines senkrechten Schuhkartons mit markanten Kühlrippen. Das hat etwas von einem Kompakt-Computer für Rechenpower auf dem Schreibtisch. Spannender wird es auf der Rückseite. Das ist eine Ansage – auf der Rückseite der Endstufe Quad 303 gibt es kaum noch Platz. Die Wucht der Lautsprecherklemmen ist offensichtlich. Weit spannender jedoch sind die kleinen Druckknöpfe ganz unten rechts: Hier lässt sich das Stereo-Kraftwerk zum reinen Mono-Block brücken
Als Besitzer muss man sich entscheiden, ob die Signale vom Quad 33 per Cinch-Kabel oder per XLR-Verbindung fließen. Hinaus geht es über ein doppeltes Paar großformatiger Schraubklemmen. Per Trigger-Kabel können die Quad-Brüder auch gemeinsam herauf- oder heruntergefahren werden. Der Coup wurde einem kleinen Druckschalter anvertraut: Die 303-Endstufe kann auch zum Mono-Amp gebrückt werden. Tolle Idee, starkes Bild vor fantasiebegabten Augen: In der Mitte die Vorstufe, dann zwei Quader nah bei den Lautsprechern – da ist der XLR-Weg über eine längere Signalstrecke auch absolut sinnvoll.
Im Stereo-Betrieb schafft es der Quad 303 auf 70 Watt an 4 Ohm. Als Monoblock liegen 170 Watt an. Da gibt es – auf dem Papier – erstmal keine Anzeichen von Hunger. Doch die Schaltung ist natürlich von größtem Interesse. Die Ur-Version folgte dem hauseigenen Quad-Rezept vom „symmetrical triples“. Bei damals „nur“ 35 Watt. Das ist im Kern eine Class-AB-Endstufenschaltung, aber mit einer Kombination zu einer vollständig symmetrischen Ausgangsstufe. Ein Triple eben. Mit allen Vorteilen bei Verzerrungswerten und dem Ruhestrom des Ausgangstransistors. Da legen die Briten auch sichtbar höchsten Wert darauf. Wir schrauben die seitliche Blende ab und blicken auf einen massigen, schlicht „fetten“ Toroid-Transformator. Das ist in der Verarbeitung wie in der Stromlieferbereitschaft weit, weit weg von der Ur-Version. Vom Trafo geht es zu einem Parcours an Elkos – die oben „von der Decke“ hängen – und dann weiter an eine Platine direkt vor den Ausgängen.
Der Quad 33 ist etwas ganz, ganz anderes. Auch hier ehrt sich Quad mit einem größeren Trafo, vor allem aber mit einer Mikroprozessor-Steuerung, vielen Ebenen von SMD-bestückten Platinen und einem Lautstärkeregler von ALPS, selbstverständlich motorgetrieben und fernsteuerbar. Auch das ist gelebter Minimalismus, alles rein analog, versteht sich. Drei Wege gehen per Cinch hinein, einer per XLR, plus der bereits genannten Phono-Option, die Quad einer Extra-Platine mit eigenem Operationsverstärker anvertraut. Sagen wir es mal so: Viel mehr Platz hätte es auf der Rückseite auch nicht gegeben. Fast vergessen: Einen USB-Port gibt es auch. Der wird zum Streaming dienen? Nein, tut er auch nicht, keine Streamer-Funktion an Bord – hier ließe sich einzig, im Fall der Fälle, ein Update zuspielen.
Hörtest
Jetzt überkommt mich eine Assoziationskette – geknüpft aus vergangenen Quad-Werten und dem, was man für typisch britisch hält. Klanglich wird diese Kombi smart, elegant, tendenziell warm, edel – und wenn es darauf ankommt, auch knallhart sein. Wir haben die Quad-Kombi an vielen Lautsprechern gehört. Doch die mit Abstand meiste Zeit spielten sie an der Wharfedale Elysian 1. Die Elysians waren schon bei ihrer Einführung ein Hammer, aber zu Weihnachten konnten wir die Kompakte dank radikaler Preissenkung zum ultmativen Kauftipp adeln. Gerade an ihnen haben mich die beiden Quads im Sturm erobert: genau mein Klangideal. Viele Tempo, viel Druck. doch es gibt keine Orgien, keine Show. Zwar Kraft satt, aber eben nichts für Techno-Fans oder Heavy-Head-Banger.
Fast auf den Tag genau vor 50 Jahren, am 24. Januar 1975, gastierte ein Pianist in der Kölner Oper. Keith Jarrett wollte eigentlich nicht, saß schon im Auto für die Abfahrt. Der Rest ist Musikgeschichte. Mit vielen Halb-Wahrheiten. Ja, Jarrett war müde, es gab Streit mit der Veranstalterin, die ihn recht ruppig wieder ins praktische Leben zurückrufen musste: „And I know you’re gonna be truly fucked too.“ Es wurde das meistverkaufte Jazz-Soloalbum ever und das meistverkaufte Soloalbum für Klavier noch hinzu, Horowitz hin, Clayderman her.
Keith Jarrett mag nicht darüber reden, in einem Interview wünschte sich der fast 80-jährige, dass die Bänder eingestampft worden wären. Und es geht immer noch das Gerücht, der Flügel wäre lausig gewesen. Stimmt nicht. Es war ein recht neuer Bösendorfer, zwar nicht das Luxusmodell „Imperial“, aber immerhin über zwei Meter lang. Ein 225er, wie ein langjähriger Bösendorfer-Techniker auf Fotos und in der Aufnahme erkannte. Die Härte des Anschlags läge an der Mikrofon-Aufstellung und sei gewünscht gewesen. Auch hätten nicht die Pedale geklappert, sondern Jarrett habe sich mit Allem dem Grundcharakter hingegeben – ein Flügel gehört in die Gruppe der Schlaginstrumente.
Auf Qobuz ist mittlerweile ein Transfer der Aufnahme in DSD erschienen – beglückend. Genau das Harte, Unerbittliche, Fokussierte pulsiert hier – und die neuen Quads haben das Format, es auch an besten Lautsprechern aufleben zu lassen. Aber mit allen Schattierungen, den schwebenden Momenten, in denen Jarrett die Saiten frei schwingen lässt, den ganzen Stahlkorpus anregt. Wer sich mal quälen will, möge die erste CD-Veröffentlichung auf einen Verstärker mit Analyse-Charakter und Testosteron legen. Keine Musik. Auch das verheimlichen die beiden Quads nicht. Die Elektronik klingt offen schnell, aber wieder in dieser britischen Mittenausrichtung – der Diskant peitscht nicht, die Bässe sind knorrig, auf Kontur ausgelegt.
Ein anderes Beispiel: Mac Miller starb 2018, aber da liegt noch einiges im Studio und Warner Records gibt dem Ruf der Fans nach und hat gerade nach „Circles“ das zweite posthume Album veröffentlicht. „Balloonerism“ klingt überhaupt nicht posthum, jeder Song ist ein mehr oder minder freundlicher Angriff auf unsere Nerven. Der HipHop ist fett abgemischt. „Funny Papers“ kommt wie der Anfang einer Ballade daher, die plötzlich mit harten Beats etwas Triebhaftes bekommt. Also die Gegenwelt zur britischen Aristokratie. Die Vor- und End-Kombi nimmt es mit steifer Oberlippe. Allein der Schlag auf die Snare-Drum ist Weltklasse im Amp-Geschäft. Es gibt faktisch kein Instrument, keine Stimme, keinen Loop ohne Körper. Alles hat Innenspannung und tiefste Musikalität.
Zum Vergleich stellen wir die Kombi von SPL ins Rack (Director MK2 & Performer s900) – und gehen noch einmal in den Jazz. Heiri Känzig und Michael Zisman treffen sich zu „Lost & Found“. Bandoneon und Kontrabass, klarer kann ein Aufnahmeraum nicht abgebildet werden. Ja, SPL erreicht eine höhere Trennschärfe und Staffelung. Quad hält mit Körper dagegen, der Bass hat mehr Volumen, ohne wulstig zu klingen. Das tariert sich im Vergleich aus. Was sich nicht austariert: Die SPL-Kombi liegt bei 8.000 Euro, die neuen Quads bei je 1.490 Euro, macht 2.980 Euro zusammen. Gut, dass wir darüber gesprochen haben.
Fazit Vor- / Endstufe Quad 33 + 303
Klischee, Klischee: Britischer Sound, die Wiederauferstehung einer Legende… Jeder Marketing-Stratege würde jubeln und das Hamsterrad drehen. Quad bedient natürlich eine Sehnsucht, das aber höchst ehrenhaft. Die Verarbeitung ist gehoben, das Design eine Reminiszenz, aber alles in die Gegenwart gehoben. Klanglich überragend richtig in allen musikalischen Feinheiten. Wer gute Freunde hat und behalten will, wer gern einmal die Hand ins Feuer legt: 33 und 303 sind die Chiffren für höchste audiophile Werte, der Retro-Faktor ist Zugabe. Geht da mehr Eleganz? Nein. Mehr Kante? Vielleicht. Mehr musikalischer Sinn? Kaum.
Hier geht´s zum Original: Quad 33 und 303: Retro Vor- / Endstufen-Kombi für 3.000 Euro
Die Retro-Kombi auf den deutschen Quad-Seiten: Quad Classics
Der Quad 33 im Shop: Die Ikone ist zurüclQuad 33 Vorstufe , Pre Amplifier ,Quad Classic
Der Quad 303 im Shop: Die Ikone ist zurück : Quad 303