Und noch einmal die Super Linton. Da kommt bestimmt in den nächsten Wochen noch mehr nach, denn egal, wer die Superbox zum Test bekommen hat, immer löst das allgemeine Begeisterung aus. So auch bei Uwe Steiner von i-fidelity.net. Und wir sind uns sicher, diese Box wird auch Euch begeistern. Selten hat ein Test uns derart mitgenommen wie dieser. Deshalb in voller Länge und als große Empfehlung von uns. Aber lest selbst…
„Seit Längerem hat sich das Wort »Vintage« auch im Deutschen eingebürgert. Zuvor hatte man technisch überholte Produkte mit Liebhaberwert hierzulande gerne »Oldtimer« genannt. Ungewollt schwang im holprigen Denglisch etwas Abschätziges mit, unterschlug es doch die Bedeutung der Ernte: »Vintage«, das ist der Jahrgang, das Produkt, das gehegt und gepflegt zur Fülle seines Geschmacks reifen konnte. Also das, was sich, anders als der »Oldtimer«, weniger gestrig als vielmehr bewährt ausnimmt, was sich zum Optimum entwickelt hat.
Den Trend zum Vintage beobachtet man auch im HiFi. Hat das damit zu tun, dass die Pflege des guten Klangs im Zeitalter der drahtlosen Soundbar-Convenience selbst zum Anachronismus zu geraten droht? Wie steht es um das oft adressierte Unbehagen am Digitalen? Jene Ernüchterung, die schon bald nach dem CD-Boom zur Vinyl-Renaissance führen sollte, potenziert sie sich in der Streaming-Ära noch einmal?
Klar ist aber auch: Früher war nicht alles, vielleicht war sogar nur das Allerwenigste besser. Bei aller Rückneigung zur analogen Wärme: Könnten wir unsere Anlagen von vor dreißig Jahren mit den Ohren von heute hören, wären wir in den meisten Fällen wohl enttäuscht. Es gibt klare Fortschritte, die man nicht missen möchte. Wenn aber Verlustgefühle sich als begründet erweisen, besinnt man sich der Vintage-Tugenden. Wenn man das, was gut war, die Ernte von damals, mit dem State of the Art von heute vereint, verwaltet man auf rechte Weise das Erbe. Und damit können wir endlich von Wharfedale sprechen. Seit 1933 bauen die Briten Lautsprecher, damit zählen sie zu den ältesten Herstellern überhaupt und der Gründer Gilbert Briggs zu den wichtigsten Pionieren der Klangtechnik. Er war 1945 der Erste, der hohe und tiefe Frequenzen auf verschieden große Chassis verteilte und so den ersten Zweiwegewandler der Welt schuf. Seit 2019 besinnt man sich in Yorkshire, im breiten Tal der Wharfe, noch stärker auf das eigene Erbe, indem man einige der erfolgreichsten Modelle in Gestalt der Heritage-Serie nicht nur erneut, sondern erneuert auf den Markt bringt.
Äußerlich bedient die Super Linton Heritage unverkennbar den Retro-Effekt. Ihr Entwickler Peter Comeau, tätig unter anderem für Heybrook und Quad, gehört zu den renommiertesten seiner Zunft. Er bekennt seinen Respekt vor der Audio-Geschichte und vor den Brands seiner Auftraggeber. Folglich sieht die neue Box in ihren drei verfügbaren Gewändern (Walnuss, Mahagoni oder Schwarzeiche) kaum anders aus als ihre Vorfahrin, die Ur-Linton von 1965. Damals hat man solche Quadergehäuse gebaut, die sich jetzt wie ein Statement zur Solidität ausnehmen, quasi als Antithese zur schlanken Eleganz der Design-Säulen. »Super« heißt die Box ihres größeren Volumens wegen. Sie ist genauso breit (30 Zentimeter) und tief (33 Zentimeter), mit 60,5 Zentimeter aber 4 Zentimeter höher als das Urmodell. Schon das war zu groß, als dass man die Linton noch kompakt oder Regallautsprecher nennen könnte, geschweige, dass man sie dort aufstellen sollte.
Unerwünschte Schwingungen
Man lasse sich vom traditionellen Äußeren aber nicht täuschen. Nicht nur innerlich hat sich einiges getan, auch das Gehäuse selbst wurde nach heutigen Standards gestaltet. Dem Sandwich-Prinzip folgend wurden mehrere MDF-Schichten durch einen Kleber auf Latex-Basis verbunden und beruhigt. Den bei parallelen Wänden und rechten Winkel ja immer drohenden stehenden Wellen und anderen unerwünschten Resonanzen begegnet Peter Comeau ferner durch Dämpfungsschaum an den Innenwänden und durch drinnen verteiltes Langfasergewebe. Im Tieftonbereich pumpt ein stärker denn je ausgelegtes Antriebssystem mit einer Silizium-Eisenkern-Schwingspule seine Impulse ins vergrößerte Kabinett. Es befeuert einen auf eine hochflexible Zentrierspinne montierten und 200 Millimeter durchmessenden Kevlarkonus, der bis 32 Hertz hinuntergehen soll.
Der Mitteltöner sitzt in einer neu gestalteten und nach hinten sorgfältig gedämpften Zylinderkammer. 135 Millimeter durchmisst der Konus-Treiber mit seiner gleichfalls aus Kevlar gewebten Membran. Der Hochton: Er wird von einer keramikmagnetbasierten Schwingspule angetrieben. Ein kurzer Hornvorsatz verteilt wie ein Waveguide gleichmäßig die Frequenzen der 25-Millimeter-Kalotte aus beschichtetem, ultraleichtem Gewebe und besorgt einen sanften Übergang zur Mitte. Die neue Frequenzweiche sei in hunderten von Hörstunden abgestimmt worden. Auf zwei Platinen verteilt, sollen streng selektierte Kondensatoren und Drosseln Neutralität und Transparenz gewährleisten. Ein zünftig gearbeitetes, zumal mechanisch beruhigtes Single-Wiring-Terminal nimmt Bananas oder Spades mit dem nötigen Kontaktdruck auf.
Die Bespannungen dienen jetzt nicht nur dem Schutz. Dass sie sich nicht ganz so leicht abnehmen lassen, mahnt den Hörer sanft, dass sie ins akustische Konzept gehören. Auch sie sollen für nahtlose Übergänge zwischen den Bereichen sorgen; »smooth« ist eines der Lieblingswörter Peter Comeaus. Mir hat sich das ebenso bestätigt wie die Notwendigkeit der 44 Zentimeter hohen Ständer. Sie sind zwar fakultativ, aber meines Erachtens Pflicht. Nicht weniger wertig als die Lautsprecher gearbeitet, stehen sie auf soliden Spikes. Passende Absorberscheiben werden mitgeliefert. Da wackelt nichts und sie lassen die üblichen Aufstellungsprozeduren bei der Suche nach dem besten Ort unproblematisch geraten.
Bei einer Basisbreite von drei Metern füllt die Linton mühelos eine weite Bühne aus. Auf den Abstand zur Rückwand reagiert sie deutlich, atmen doch gleich zwei Bassreflexrohre pro Box nach hinten aus. Schon geringfügiges Vor- oder Zurückrücken verändert Kontur und Volumen der Tiefton-Performance. Bei mir haben sich gut 80 Zentimeter Rückabstand für eine eindrückliche Bühnentiefe und als ideal für einen gut umrissenen, ideal kräftigen Bass erwiesen. Noch näher an die Wand gerückt, verliert er an Definition. Eine leichte Einwinkelung von circa 10 bis 15 Grad schärft auch hier die Abbildung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Tweeter leicht seitlich von der Mittelachse versetzt in die Schallwand eingelassen sind und nach innen zeigen sollten. Daher steht auf der Rückseite, welche Box nach links, welche nach rechts gehört.
Keine Liebe für nebenbei
Jetzt darf das Hörerlebnis beginnen und ich schon vorweg verraten, dass es sich wirklich um eines handelt. Selten nämlich hat mir ein Lautsprecher schon beim ersten Hören so behagt, kaum je hat mich einer so superb gepackt wie diese Linton. Obwohl ich von einer nicht eingespielten Box erst einmal nicht viel erwarte, merke ich sofort auf: Wie flüssig und lebendig das doch klingt, tatsächlich »smooth« und sofort involvierend. Peter Comeau ist auch mit der Tonmeisterseite und ihrem auf Neutralität und Auflösung bedachten Klangideal vertraut. Für das Hören zu Hause, meint er, müsse es aber genussfähig ausgestaltet werden.
Die Linton besitzt denn auch offenkundig keinen »Monitorcharakter«. Sie ist kein analytischer Schallwandler, sie neigt, so mein erster Eindruck, zur Wärme. »Cello-Charakter«, notiere ich mir. Offenbart sie nicht eine Tendenz, die man, wäre es nicht ein Klischee, »analog« nennen könnte? Erinnert ihr Wohllaut nicht an Röhrenamps? Zumindest merke ich sofort, wie die Linton auch mit problematischem Material trefflich umzugehen weiß. Ohnehin empfehle ich, beim Probehören nie nur auf audiophile Perlen zu setzen. Schließlich will man mit einer Komponente länger leben, und wieviele Produktionen gibt es, bei denen die Aufnahmetechnik nicht auf der Höhe der musikalischen Qualität spielt!
Miles Davis‘ und Gil Evans‘ ingeniöse Adaption von Gershwins »Porgy and Bess« beginnt mit einem gleißenden, von hohem Blech und lauten Beckenschlägen dominierten Fortissimo-Tusch. Ein musikalischer Meilenstein, aber leider kann auch das treffliche SACD-Remastering der Mobile-Fidelity-Edition nicht verbergen, dass sich die Bänder längst nicht mehr im besten Zustand befinden. Es vermittelt mehr Mitteltonsubstanz als die CD, dennoch tendiert auch diese SACD öfters ins Höhenlastige, Bleiche oder Grelle. Dass das so ist, zeigt mir auch die Linton. Aber sie mildert, was auf stärker analytisch ausgerichteten Lautsprechern fast immer ins Lästige kippt, auf eine Weise, die ich als ausgesprochen angenehm empfinde.
Kluge Formgebung
Dem im heutigen HiFi notorischen Problem der Höhenüberhöhung hat Peter Comeau tatsächlich besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Ein schlanker Lautsprecher, wie er heute üblich ist, klinge in den Mitten immer dünner als einer mit zünftig breiter Schallwand. Den Grund macht der Entwickler in einer Problemzone des Abstrahlverhaltens aus, die er »baffle step« nennt, auf Deutsch vielleicht »Schallwand-Sprung« oder »-Schwelle«. Hohe Frequenzen werden gebündelt und gerichtet abgestrahlt, tiefe hingegen verbreiten sich kugelförmig. Je kleiner nun die Schallwand, desto höher steigt der Punkt, an dem sich die Abstrahlung von halbkugel- zu kugelförmig ändert. In der Folge erhöhe sich die abgestrahlte Hochtonenergie um bis zu 6 dB, und sie gerate dabei auch schärfer. Auch die Frequenzweiche, so Comeau, könne das nur unvollkommen kompensieren. Die breite Schallwand der Super Linton dient mithin nicht bloß dem Retro-Effekt, sie zähmt vielmehr eine unliebsame Folge modernen Audio-Designs.
Hochtonlästig wird die Super Linton tatsächlich nie. Immer wieder werde ich in den folgenden vielen, vielen Hörstunden diese erstaunliche Erfahrung machen: Aufnahmen, die ich als problematisch erinnere, höre ich in einem Rutsch durch. Keine blutenden Ohren, keine Listening Fatigue, sondern Appetit auf noch eine Scheibe. Sogleich regt sich der kritische Impuls. Steckt da vielleicht euphonische Behübschung dahinter? Fährt da jemand mit dem nassen Aquarellpinsel übers Bild, um etwaige scharfe Konturen, Grieseln und Scharten minder guten Materials zu verwischen? Sodass sich hübsche Verläufe ergeben, musikalische Details aber verschwimmen? Die Linton neigt gewiss stärker zur Malerei als zur Zeichnung. Aber, das finde ich bald heraus, sie macht keinen Sound, sie nivelliert nicht und sie unterschlägt nichts. Die oft subtilen Unterschiede zwischen CD- und High-Res-Varianten derselben Tracks bleiben vollumfänglich erkennbar. Wenn ich historische Klaviere vergleiche, ob nun Ronald Brautigam Beethoven auf dem Nachbau eines Graf-Hammerflügels von 1819 spielt oder András Schiff Schubert auf einem Brodmann von 1820, immer höre ich den jeweiligen Charakter getreu heraus. Das gilt auch für Personalstile: Ob nun John Coltrane ins Tenorsaxophon bläst, Hank Mobley oder George Coleman, das offenbart sich sofort. Akustische Instrumente können farbentreuer kaum klingen. Man hört, wie das Holz und die Luftsäule im Innern von Oboen oder Klarinetten schwingen; historische Streicher mit Darmsaiten erklingen nicht schneidend, wie oft auf hell abgestimmten Systemen, sondern ohne jeden Anflug von Schärfe. Auch massive Orchestertexturen werden organisch aufgefächert, dynamische Spitzen kompressionsfrei mitgeteilt. Im Bass reicht die Box tief hinunter.
Ich höre eine mit der Ur-Linton ungefähr zeitgenössische Aufnahme, Otto Klemperers Einspielung von Mahlers Vierter von 1960 mit dem Philharmonia Orchestra. Weiträumig verteilen sich die Pulte in der legendären Kingsway Hall, dem Klangbild folgend könnte ich die Tiefen- und Breitenstaffelung der Orchestergruppen nachzeichnen. Es ist, als erlebte ich diesen mir bestens bekannten Meilenstein der Interpretations- und der Schallplattengeschichte zum ersten Mal. Klemperers magistrale Gelassenheit und Ruhe teilen sich auf eine beglückende Weise mit, weil die Linton geradezu wahlverwandt entspannt musiziert. Sie ist kein Zuchtmeister, vielmehr spannt sie ihre Klangräume auch deshalb so weit auf, weil jedes Instrument auf natürliche Weise ausschwingen darf. Das sorgt zudem für einen hochmusikalischen Fluss. Immer wieder fallen mir subtile Stimmverläufe ins Ohr, die andere Lautsprecher zwar nicht unterschlagen. Aber sie teilen den musikalischen Sinn nicht derart überzeugend mit. Und auch den Swing lässt die Linton nicht vermissen. In puncto Timing musiziert sie gelassen und entspannt, dabei immer den melodischen Fluss bewahrend.
Es ist musikalische Wahrheit
Mit der Zeit offenbart sich mir immer mehr vom Geheimnis der Wharfedale. Was diesen Lautsprecher im Kern ausmacht, das ist gar nicht mal das tonale Wohlbehagen, das er in jedem Moment vermittelt. Klang ist das Medium der Musik, aber nicht schon die Musik selbst. Hier geht es um das musikalische Erleben. Die existenzielle Dringlichkeit, in der der bereits todkranke Lars Vogt zusammen mit Barbara Buntrock, Christian und Tanja Tetzlaff die Klavierquartette 2 und 3 von Johannes Brahms musiziert, teilt sich denn auf erschütternde Weise mit (Ondine). Hier, wie auch sonst, zieht sich das kritische Ohr des Testers zugunsten der musikalischen Wahrheit zurück.
Testergebnis
Die Überraschung kommt zuletzt beim Blick aufs Preisschild. Kann das wahr sein, dass diese Musikmagier nur 2.000 Euro kosten? Gut, die Lautsprecher werden in England entwickelt, gebaut wird die Super Linton Heritage aber in China. Wharfedale ist Teil der in Shenzhen angesiedelten International Audio Group. Anders ließe sich so ein Preis vermutlich nicht gestalten. Dennoch hätte mir auch ein deutlich höheres Entgelt eingeleuchtet – ich kenne mittlerweile so einige Lautsprecher, die ein Vielfaches kosten, aber ungleich weniger involvierend musizieren. So sympathisch das monetäre Understatement aber auch ist: Wollen wir wirklich über den Preis reden? Führt doch kein Weg an dem Befund vorbei: Die Super Linton Heritage ist ein Superlautsprecher, Punkt. Nein: Ausrufezeichen! Und nicht etwa nur ein Superlautsprecher zu diesen Preis. Ich finde ihr Design ausgesprochen attraktiv, am meisten aber schätze ich, dass sie musikalisch ganz vorne mitspielt. Man erlebt selten einen so harmonisch abgestimmten und wohltönenden Lautsprecher, einen Lautsprecher, der bei allem Wohllaut ehrlich und bei der Seele der Musik bleibt. Hier hat ein hochmusikalischer und zugleich besonnener Entwickler eine Meisterleistung erbracht. Wer mit dieser Wharfedale Musik hört, begeht keinen sentimentalen Akt, der hängt keiner gegenwartsflüchtigen Retro-Nostalgie an. Vielmehr verwaltet die Super Linton Heritage das authentische Erbe der High Fidelity auf der Höhe von heute. Eine ganz, ganz große Empfehlung!